Alterung in Phasen: Wie das biologische Alter in bestimmten Lebensabschnitten sprunghaft ansteigt
Altern ist ein komplexer, biologischer Prozess, der uns alle betrifft. Von den ersten Fältchen bis zu den grauen Haaren – unser Körper durchläuft im Laufe des Lebens zahlreiche Veränderungen. Doch das Altern ist weit mehr als nur ein äußerlicher Wandel. Es ist ein tiefgreifender Prozess, der auf zellulärer und molekularer Ebene abläuft und unser Wohlbefinden sowie unsere Anfälligkeit für Krankheiten maßgeblich beeinflusst. Die Wissenschaft erforscht kontinuierlich die Mechanismen des Alterns, um herauszufinden, wie wir gesünder und länger leben können. Eine spannende Entdeckung haben nun Forscher aus Stanford in einer Kohortenstudie gemacht, die sie kürzlich in der Fachzeitschrift Nature Aging veröffentlicht haben. Sie fanden heraus, dass unser biologisches Alter in bestimmten Lebensphasen sprunghaft ansteigt. In der Studie analysierten sie Tausende von Molekülen bei Probanden im Alter von 25 bis 75 Jahren. Neben RNA, Proteinen und Metaboliten wurden auch die Mikrobiome der Teilnehmer untersucht – also die Bakterien, Viren und Pilze, die sich auf und in unserem Körper befinden. Die Ergebnisse waren überraschen: Die Veränderungen im biologischen Alter erfolgen nicht kontinuierlich und schrittweise, wie man vielleicht erwarten würde, sondern treten schubartig auf. Besonders auffällig waren hier zwei Zeitspannen mit einem signifikanten Anstieg der Veränderungen: rund um das 44. und das 60. Lebensjahr. Diese Erkenntnisse könnten entscheidende Hinweise darauf geben, wie und wann unser Körper große Umstellungen durchläuft und wie wir unser Gesundheitsmanagement darauf anpassen können.
Zwei Zeitpunkte eines erhöhten Alterungsprozesses traten hier besonders hervor
Die Studie zeigte, dass nur 6,6 % der molekularen Marker altersbedingte lineare (kontinuierliche) Veränderungen aufwiesen, während 81 % nicht-lineare Muster zeigten. Diese nicht linearen Muster traten besonders stark in zwei klar abgegrenzten Altersphasen auf: Mitte der 40er-Jahre und Anfang der 60er-Jahre. Während dieser Phasen zeigen die Molekülprofile unterschiedliche Muster, was auf bedeutende biologische Umstellungen hindeutet.
Überraschende Entdeckungen in den 40ern
Dass in den frühen 60ern starke Veränderungen auftreten, war erwartbar. Doch die Häufung von Veränderungen in den Mittvierzigern kam überraschend. Zunächst gingen die Forscher davon aus, dass die Menopause der weiblichen Teilnehmer Ursache für den Sprung in den Daten sei. Eine geschlechtsspezifische Analyse zeigte jedoch, dass diese Veränderungen auch bei Männern gleichen Alters auftreten. Xiaotao Shen, der Erstautor der Studie, erläutert: „Dies deutet darauf hin, dass zwar die Menopause zu den Veränderungen beitragen kann, es aber wahrscheinlich andere, bedeutendere Faktoren gibt, die diese Veränderungen sowohl bei Männern als auch bei Frauen beeinflussen. Die Identifizierung und Untersuchung dieser Faktoren sollte bei künftigen Forschungen Priorität haben.“
Risiko für Krankheiten
Der Sprung in den mittleren 40ern steht im Zusammenhang mit Veränderungen in Molekülen, die den Stoffwechsel von Lipiden, Koffein und Alkohol betreffen, sowie mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Funktionsstörungen von Haut und Muskeln. Der Sprung in den frühen 60ern wurde mit dem Kohlenhydrat- und Koffeinstoffwechsel, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Haut- und Muskelerkrankungen, der Immunregulation und der Nierenfunktion in Verbindung gebracht.
Einordnung der Studie
Die Forscher betonen, dass ihre Studie primär die Unterschiede zwischen Individuen widerspiegelt und zusätzliche Störfaktoren nicht ausgeschlossen werden können. So könnten Unterschiede im Lebensstil, wie Sport, Alkohol- und Koffeinkonsum, die Ergebnisse beeinflusst haben. Zudem betonen die Autoren, dass die Teilnehmeranzahl von nur 108 Personen ein limitierender Faktor der Studie ist. Daher beabsichtigen die Forscher, in zukünftigen Studien die genauen Ursachen der Alterssprünge weiter zu untersuchen. Unabhängig von den Ergebnissen dieser zukünftigen Studien betonen sie jedoch: „Es ist entscheidend, dass wir unseren Lebensstil anpassen, solange wir noch gesund sind.“
Fazit
Unser biologisches Alter scheint im Laufe des Lebens mehrere Sprünge zu machen, die mit signifikanten molekularen Veränderungen und einem erhöhten Krankheitsrisiko einhergehen. Diese Erkenntnisse bieten neue Ansätze für die präventive Medizin und betonen die Wichtigkeit eines gesunden Lebensstils, um den Alterungsprozess positiv zu beeinflussen.
Referenzen:
Shen, X., Wang, C., Zhou, X. et al. Nonlinear dynamics of multi-omics profiles during human aging. Nat Aging (2024). https://doi.org/10.1038/s43587-024-00692-2
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