Sekundäre Pflanzenstoffe: Natürliche bioaktive Verbindungen für ein gesundes Leben
Im Pflanzenreich gibt es eine Vielzahl von Verbindungen, die für unsere Gesundheit eine wichtige Rolle spielen können. Neben Vitaminen und Mineralien, die den meisten von uns bekannt sind, produzieren Pflanzen auch sogenannte sekundäre Pflanzenstoffe – bioaktive Verbindungen, die nicht direkt am Wachstum oder an der Fortpflanzung (Primärstoffwechsel der Pflanze) beteiligt sind. Diese faszinierenden Substanzen spielen eine wichtige Rolle in der Natur und bieten uns zahlreiche gesundheitliche Vorteile.
Was sind sekundäre Pflanzenstoffe?
Sekundäre Pflanzenstoffe sind chemische Verbindungen, die im Sekundärstoffwechsel von Pflanzen gebildet werden, wovon sich auch ihr Name ableitet. Sekundärstoffwechsel bedeutet, dass sie nicht direkt an den lebenserhaltenden Prozessen der Pflanzen, wie etwa Wachstum oder Fortpflanzung beteiligt sind. Dennoch nehmen sie für viele Pflanzen eine wichtige Rolle ein, da Pflanzen ortsgebunden sind und nicht einmal eben schnell ihre Umgebung verlassen können. Daher bilden sie sekundäre Pflanzenstoffe, die unter anderem als Schutz vor Schädlingen, Krankheiten und UV-Strahlung dienen, wodurch sie die Anpassungsfähigkeit der Pflanzen an ihre Umwelt verbessern. Viele dieser Verbindungen schmecken bitter, da ein bitterer Geschmack in der Natur oft ein Warnsignal für Fressfeinde ist, dass etwas giftig oder ungenießbar sein könnte.
Klassifizierung
Insgesamt sind mehr als 100.000 verschiedene sekundäre Pflanzenstoffe bekannt, von denen etwa 5.000 bis 10.000 in unserer Nahrung vorkommen. Sie verleihen Pflanzen nicht nur ihre Farben, Düfte und Geschmacksnoten, sondern gelten auch als äußerst gesundheitsfördernd. Diese Stoffe werden je nach ihrer Struktur und ihren Eigenschaften in verschiedene Gruppen eingeteilt.
Die wichtigsten Gruppen sekundärer Pflanzenstoffe umfassen:
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Terpenoide: Diese Verbindungen sind oft für den charakteristischen Duft und Geschmack von Pflanzen verantwortlich und haben antioxidative Eigenschaften. Hierzu gehören ätherische Öle und Harze mit antimikrobiellen und insektenabwehrenden Eigenschaften für die Pflanze.
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Phenolische Verbindungen: Darunter fallen vor allem Polyphenole. Diese Substanzen sind bekannt für ihre antioxidativen und entzündungshemmenden Wirkungen. Sie tragen zur Gesundheit von Pflanzen bei, indem sie sie vor Krankheiten und Schädlingen schützen.
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Glucosinolate: Diese Verbindungen sind in Kreuzblütlern wie Brokkoli und Kohl enthalten und können die körpereigenen Entgiftungsprozesse unterstützen sowie das Immunsystem fördern.
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Alkaloide: Diese stickstoffhaltigen Verbindungen sind häufig in Pflanzen wie Mohn und Kaffee zu finden und haben oft starke Wirkungen auf das zentrale Nervensystem. Verbindungen wie Koffein, Nikotin und Morphin fallen in diese Kategorie.
Die gesundheitlichen Vorteile
Sekundäre Pflanzenstoffe sind für den Menschen von großem Interesse, da mit ihnen zahlreiche gesundheitsfördernde Wirkungen assoziiert sind. Wie hoch das Interesse an diesen Verbindungen ist, zeigt sich auch daran, dass sich zunehmend wissenschaftliche Studien mit den positiven Effekten auf den menschlichen Körper befassen. Diese pflanzlichen Verbindungen können molekulare Prozesse und Signalwege modulieren und sind vor allem mit antioxidativen und anti-inflammatorischen (=entzündungshemmenden) Eigenschaften assoziiert.
Antioxidative Eigenschaften: Sekundäre Pflanzenstoffe können oxidativen Stressbelastungen, die mit zahlreichen chronischen Erkrankungen assoziiert sind, entgegenwirken. Sie helfen, freie Radikale im Körper zu neutralisieren, die durch Umweltfaktoren wie UV-Strahlung, Umweltverschmutzung und ungesunde Ernährung entstehen können. Freie Radikale sind instabile Moleküle, die gesunde Zellen angreifen und Zellschäden verursachen können. Durch ihre antioxidativen Eigenschaften tragen sekundäre Pflanzenstoffe dazu bei, den Körper vor oxidativem Stress zu schützen, der mit einer Vielzahl von gesundheitlichen Problemen in Verbindung gebracht wird. Zu den bekanntesten antioxidativen sekundären Pflanzenstoffen gehören Flavonoide, Polyphenole und Carotinoide, die in vielen Obst- und Gemüsesorten vorkommen. Diese Verbindungen fördern den Erhalt gesunder Zellen und können die Alterungsprozesse verlangsamen, was zu einem verbesserten allgemeinen Gesundheitszustand beitragen kann.
Entzündungshemmende Effekte: Viele sekundäre Pflanzenstoffe sind mit entzündungshemmenden Eigenschaften assoziiert, die für die Aufrechterhaltung eines gesunden Entzündungsniveaus im Körper von Bedeutung sind. Entzündungen sind zunächst erstmal etwas gutes und natürliche Abwehrmechanismen des Körpers. Werden Entzündungsprozesse aber zu chronischen Entzündungen, kann dies zu einer Vielzahl von Beschwerden sogar chronischen Krankheiten führen.
Sekundäre Pflanzenstoffe wie Curcumin (aus Kurkuma), Resveratrol (aus Trauben) und Gingerole (aus Ingwer) wirken, indem sie entzündungsfördernde Signalwege modulieren und die Produktion von entzündungshemmenden Molekülen fördern. Zudem können sie die Auschüttung von sogenannten pro-inflammatorischen Zytokinen inhibitieren. Diese Eigenschaften können dazu beitragen, die körpereigenen Abwehrmechanismen zu unterstützen und das Gleichgewicht zwischen Entzündung und Entzündungshemmung aufrechtzuerhalten, wodurch chronische Entzündungen vermieden werden können.
Diese vielfältigen gesundheitlichen Vorteile machen sekundäre Pflanzenstoffe zu einem wesentlichen Bestandteil einer ausgewogenen und gesundheitsbewussten Ernährung, spielen aber auch in der Medizin eine wichtige Rolle.
Die Rolle in der Medizin
Sekundäre Pflanzenstoffe spielen eine bedeutende Rolle in der modernen Medizin und Pharmakologie. Viele der heute verwendeten Medikamente basieren auf oder sind direkt abgeleitet von diesen natürlichen Verbindungen. Die Erforschung und Nutzung sekundärer Pflanzenstoffe hat zu bahnbrechenden Entwicklungen in der Behandlung verschiedener Krankheiten geführt.
Ein bekanntes Beispiel für die Nutzung pflanzlicher Inhaltsstoffe in der modernen Medizin ist Aspirin, das aus Salicin, einem Wirkstoff der Weidenrinde, entwickelt wurde. Die Weidenrinde wurde bereits in der Antike verwendet, um Fieber und Schmerzen zu lindern. Historische Aufzeichnungen belegen, dass verschiedene Kulturen die Weide als Heilpflanze schätzten und ihre Rinde in Tees oder als Extrakte verwendeten. Im 19. Jahrhundert begannen Chemiker, diese natürliche Verbindung näher zu untersuchen. Sie isolierten Salicin aus der Weidenrinde und fanden heraus, dass es im Körper in Salicylsäure umgewandelt wird, die schmerzlindernde und entzündungshemmende Eigenschaften besitzt. Diese Erkenntnisse führten schließlich zur Synthese von Acetylsalicylsäure (ASS), dem Wirkstoff in Aspirin, das heute eines der am häufigsten verwendeten Medikamente zur Schmerzbehandlung und zur Fiebersenkung ist.
Ein weiteres bemerkenswertes Beispiel ist Metformin, ein weit verbreitetes Antidiabetikum, das aus Verbindungen der Geißraute abgeleitet wurde. Diese Pflanze hat eine lange Geschichte in der traditionellen Medizin, insbesondere in der Behandlung von Diabetes und zur Regulierung des Blutzuckerspiegels. Die Wirkstoffe, die in der Geißraute enthalten sind, wurden im 20. Jahrhundert von Wissenschaftlern entdeckt und isoliert. Nach umfangreichen klinischen Studien wurde Metformin als sicheres und wirksames Medikament zur Behandlung von Typ-2-Diabetes zugelassen. Es verbessert die Insulinempfindlichkeit und hilft, den Blutzuckerspiegel zu regulieren, was es zu einem unverzichtbaren Bestandteil der diabetologischen Therapie macht.
Weitere Beispiele sind:
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Artemisinin: Dieses Terpenoid wurde aus dem Einjährigen Beifuß (Artemisia annua) isoliert und ist ein hochwirksames Mittel gegen Malaria. Die Entdeckung von Artemisinin durch die chinesische Wissenschaftlerin Tu Youyou wurde 2015 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet
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Morphin: Dieses Alkaloid aus dem Schlafmohn (Papaver somniferum) ist ein starkes Schmerzmittel und wird in der Schmerztherapie eingesetzt
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Digitoxin: Ein Herzglykosid aus dem Fingerhut (Digitalis purpurea), das zur Behandlung von Herzinsuffizienz verwendet wird
Diese Beispiele zeigen eindrucksvoll, wie die Forschung an natürlichen Pflanzenstoffen zur Entwicklung moderner Arzneimittel geführt hat. Die Kombination traditioneller Anwendung mit moderner wissenschaftlicher Methodik ermöglicht es, die heilenden Eigenschaften von Pflanzen systematisch zu nutzen und neue therapeutische Ansätze zu entwickeln. Dies unterstreicht die Bedeutung sekundärer Pflanzenstoffe nicht nur in der Naturheilkunde, sondern auch in der evidenzbasierten Medizin.
Ernährung und sekundäre Pflanzenstoffe
Eine abwechslungsreiche Ernährung mit viel Obst, Gemüse und Kräutern ist der beste Weg, um von den gesundheitsfördernden Eigenschaften sekundärer Pflanzenstoffe zu profitieren. Diese Verbindungen sind in einer Vielzahl von pflanzlichen Lebensmitteln enthalten und spielen eine wichtige Rolle in der Gesundheitserhaltung und Krankheitsprävention.
Ein besonders gutes Beispiel für eine solche Ernährung ist die mediterrane Ernährung, die eine Fülle von pflanzlichen Lebensmitteln umfasst. Sie ist reich an Obst, Gemüse, Vollkornprodukten, Nüssen, Samen und gesunden Fetten wie Olivenöl. Studien haben gezeigt, dass die mediterrane Ernährung mit einer besseren Gesundheit und einem geringeren Risiko für chronische Erkrankungen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und bestimmte Krebsarten in Verbindung gebracht wird. Diese positiven Effekte sind teilweise auf die Vielzahl von sekundären Pflanzenstoffen zurückzuführen, die in den verwendeten Lebensmitteln enthalten sind.
Es ist wichtig zu beachten, dass ein Großteil dieser wertvollen Verbindungen in der Schale oder den äußeren Blättern der Lebensmittel vorkommt. Zum Beispiel enthalten Äpfel und Birnen eine hohe Konzentration an Flavonoiden, die antioxidative und entzündungshemmende Eigenschaften besitzen. Um von diesen gesundheitsfördernden Wirkungen zu profitieren, sollte man darauf achten, die Früchte nicht zu schälen, da viele der sekundären Pflanzenstoffe in der Schale sitzen.
Neben Äpfeln und Birnen sind auch andere Obst- und Gemüsesorten reich an sekundären Pflanzenstoffen. Dunkelgrünes Blattgemüse wie Spinat und Grünkohl, Beeren wie Blaubeeren und Erdbeeren, sowie Zitrusfrüchte sind hervorragende Quellen. Kräuter und Gewürze, wie Kurkuma, Ingwer und Basilikum, tragen ebenfalls dazu bei, die Aufnahme dieser wertvollen Verbindungen zu erhöhen. In unserer Ernährung kommen sekundäre Pflanzenstoffe nie isoliert vor. Zum Beispiel enthält Kurkuma neben Curcumin viele weitere andere sekündäre Pflanzenstoffe. Dies führt dazu, dass eine Wechselwirkung zwischen verschiedenen bioaktiven Verbindungen stattfindet, die oftmals zu Synergieeffekten führt.
Synergieeffekte treten auf, wenn mehrere Pflanzenstoffe zusammenwirken und eine verstärkte Wirkung entfalten, die über die Effekte der einzelnen Bestandteile hinausgeht. Die Vielzahl an sekundären Pflanzenstoffen, die in Lebensmitteln enthalten sind siorgt dafür, dass die verschiedenen Pflanzenstoffe sich gegenseitig unterstützen und die gesundheitlichen Vorteile maximieren. Obwohl in einzelnen Obst- und Gemüsesorten bereits eine Vielzahl verschiedener sekundärer Pflanzenstoffe vorhanden ist, ist es ratsam, eine bunte Vielfalt an Lebensmitteln in die tägliche Ernährung einzubauen, um eine möglichst breite Palette von sekundären Pflanzenstoffen zu konsumieren. Verschiedene Farben und Arten von Obst und Gemüse liefern unterschiedliche Arten von sekundären Pflanzenstoffen, sodass eine abwechslungsreiche Ernährung nicht nur schmackhaft, sondern auch gesund ist.
Fazit
Sekundäre Pflanzenstoffe sind nicht nur Substanzen, die Pflanzen ihren Geschmack und Farbe geben, sondern können auch eine entscheidende Rolle in unserer Ernährung und Gesundheit spielen. Diese bioaktiven Verbindungen bieten zahlreiche gesundheitliche Vorteile, darunter antioxidative und entzündungshemmende Eigenschaften, die zur Prävention und Unterstützung der Gesundheit beitragen können. Eine abwechslungsreiche und pflanzenbasierte Ernährung, die reich an Obst, Gemüse und Kräutern ist, ermöglicht es uns, von diesen wertvollen Stoffen zu profitieren und somit unser Wohlbefinden zu fördern.
Referenzen
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