Kalorienrestriktion & Intermittierendes Fasten: Schlüssel zur Langlebigkeit?
Frühere Forschung zeigt, dass unsere Ernährung einen Einfluss auf den Alterungsprozess und unsere Lebensdauer haben kann. Laborstudien haben immer wieder gezeigt, dass Tiere, die weniger Nahrung zu sich nehmen oder seltener essen, länger leben können. Auch in den Medien hört man oft, dass intermittierendes Fasten – also zeitlich begrenzte Essenspausen – und Kalorienrestriktion vielversprechende Ansätze sind, um gesünder und länger zu leben. Der Effekt auf die Langlebigkeit wird häufig auf den Gewichtsverlust und die metabolischen Veränderungen zurückgeführt.
Nun hat eine neue Studie des Jackson Laboratory (JAX) die Effekte von Kalorienrestriktion (CR) und intermittierendem Fasten (IF) auf die Lebensspanne und Gesundheit von fast 1000 Mäusen untersucht und damit die größte Studie in diesem Forschungsbereich durchgeführt. Die kürzlich in der Zeitschrift Nature veröffentlichte Studie zeigt, dass eine geringere Kalorienzufuhr zwar die Lebensspanne verlängern kann, jedoch diejenigen Mäuse, die am längsten lebten, am wenigsten Gewicht während der kalorienreduzierenden Diät verloren haben. Diese Ergebnisse liefern wertvolle Einblicke in die Auswirkungen solcher diätetischen Maßnahmen auf die Langlebigkeit.
Molekulare Ursachen des Alterns und die Effekte von Kalorienrestriktion
Die molekularen Ursachen des Alterns sind vielfältig und beinhalten Prozesse wie die Ansammlung von DNA-Schäden, oxidativem Stress, Telomerverkürzung, Proteinfehlfaltung und Entzündungen. Diese Faktoren tragen zur Funktionsstörung von Zellen und Geweben bei, was letztlich den Alterungsprozess vorantreibt. Kalorienrestriktion (CR) hat sich als eine der wirksamsten Maßnahmen zur Verlängerung der Lebensspanne in verschiedenen Organismen erwiesen. CR wirkt auf molekularer Ebene durch die Verringerung der Produktion reaktiver Sauerstoffspezies (ROS), die Aktivierung von Sirtuinen (Proteine, die mit der Regulation von Alterung und Zellüberleben verbunden sind), die Verbesserung der Autophagie (zellulärer Abbau- und Recyclingprozess) und die Reduktion entzündlicher Prozesse. Diese Effekte tragen zur Erhaltung der Zellfunktion und zur Verzögerung des Alterungsprozesses bei, was zu einer verlängerten Lebens- und Gesundheitsspanne führen kann.
Der Studienaufbau und die wichtigsten Erkenntnisse
Da die Langlebigkeit bei Menschen schwer zu untersuchen ist, haben die Forscher auf ein Mausmodell zurückgegriffen. Um mehr darüber zu erfahren, wie intermittierendes Fasten oder Kalorienrestriktion die Lebensspanne beeinflussen, teilten sie 960 weibliche Mäuse in fünf Diätgruppen auf:
- Ad libitum (AL): Mäuse konnten uneingeschränkt essen.
- Kalorienrestriktion (CR) bei 20%: Mäuse erhielten 80% ihrer normalen Kalorienzufuhr.
- Kalorienrestriktion (CR) bei 40%: Mäuse erhielten 60% ihrer normalen Kalorienzufuhr.
- Intermittierendes Fasten (IF) 1 Tag pro Woche: Mäuse fasteten einen Tag pro Woche.
- Intermittierendes Fasten (IF) 2 Tage pro Woche: Mäuse fasteten zwei Tage pro Woche.
Nun überwachten die Forscher die Gesundheit und Langlebigkeit der Mäuse. Ein wichtiges Merkmal der Studie war, dass es sich bei der Mauspopulation um einen sogenannten "Outbred" handelte, was bedeutet, dass jede Maus ein genetisch einzigartiges Individuum aus einer vielfältigen Population war. Oftmals werden wissenschaftliche Studien an genetisch fast identischen Tieren durchgeführt, damit Effekte, z.B. eines Medikamentes, schneller erkannt werden und die Schwankungsbreite nicht zu große ist. In dieser Studie hat man aber bewusst eine genetische Vielfalt eingesetzt, um die genetische Variabilität des Menschen besser abzubilden.
CR und IF verlängern die Lebensspanne
Die Studie ergab, dass sowohl CR als auch IF die Lebensspanne der Mäuse verlängerten, wobei die Wirkung proportional zur Stärke der Einschränkung war. Mäuse, die 40% weniger Kalorien erhielten, lebten im Durchschnitt am längsten, gefolgt von denen mit 20% Kalorienrestriktion und den Mäusen im intermittierenden Fasten. Mäuse mit uneingeschränktem Zugang zu Futter hatten die kürzeste Lebensspanne.
Überraschende Ergebnisse zur Gewichtsabnahme und Lebensspanne
Die Forscher entdeckten, dass genetische Faktoren – wie genetisch kodierte Resilienz – in dem Mausmodell eine größere Rolle bei der Langlebigkeit spielten als die Diät. Auch wenn die Mäuse mit 40% Kalorienreduktion die größte durchschnittliche Verlängerung der Lebensspanne zeigten, gab es innerhalb dieser Gruppe große individuelle Unterschiede.
Mäuse, die ihr Körpergewicht, ihren Körperfettanteil und ihre Immungesundheit während der Kalorienreduktion beibehielten, lebten am längsten. Im Gegensatz dazu hatten Mäuse in dieser Gruppe, die am meisten Gewicht verloren, eine geringere Energie, ein geschwächtes Immunsystem und kürzere Lebensspannen. Dies deutet darauf hin, dass die genetische Ausstattung eines Individuums eine entscheidendere Rolle bei der Wirkung von Diäten auf die Lebensspanne spielt. Zudem legen diese Ergebnisse nahe, dass die Erhaltung des Körpergewichts und eine robuste Gesundheit unter Stressbedingungen (eine kontinuierliche Kalorienrestriktion ist eine Stressreaktion) entscheidende Faktoren für eine verlängerte Lebensspanne sind. Die Forscher betonen: Diäten sind keine Wunderwaffen – sie können die durchschnittliche Lebensspanne erhöhen, garantieren jedoch kein langes Leben für jeden Einzelnen.
Kalorienreduktion und Metabolismus
Die Studie zeigt, dass Kalorienreduktion zwar zu einer schlankeren Körperzusammensetzung und verbesserten metabolischen Veränderungen führt, diese jedoch nicht zwangsläufig die Verlängerung der Lebensspanne erklären. Gewichtsverlust und metabolische Verbesserungen sind zwar vorteilhaft für die Gesundheit, aber nicht allein ausschlaggebend für eine längere Lebensdauer. Wichtiger sind Faktoren wie die Gesundheit des Immunsystems, die genetische Resilienz und physiologische Indikatoren der Belastbarkeit.
Implikationen für den Menschen
Die Ergebnisse dieser umfassenden Studie verdeutlichen die Komplexität, wie der Körper auf Kalorienrestriktion und intermittierendes Fasten reagiert. Sie werfen wichtige Fragen darüber auf, wie solche diätetischen Maßnahmen bei Menschen wirken könnten. Eine der umfassendsten klinischen Studien zu kalorienreduzierten Diäten bei gesunden, nicht fettleibigen Personen zeigte, dass diese Interventionen die Stoffwechselraten senkten – ein kurzfristiger Effekt, der als Signal für langfristige Vorteile in Bezug auf die Lebensspanne angesehen wird. Die Daten aus der Mäusestudie legen jedoch nahe, dass metabolische Messungen eher die Gesundheitsspanne – die Zeitspanne des Lebens ohne chronische Krankheiten – widerspiegeln, während andere Parameter erforderlich sind, um zu beurteilen, ob solche „Anti-Aging“-Strategien tatsächlich das Leben verlängern können.
Schlussfolgerungen
Insgesamt liefert diese Studie wertvolle Einsichten in die komplexen Zusammenhänge zwischen diätetischen Maßnahmen, genetischen Faktoren und der Lebensspanne. Sie zeigt, dass eine maßvolle Kalorienreduktion in Kombination mit regelmäßigen Fastenzyklen und einer starken genetischen Resilienz die besten Voraussetzungen für ein langes und gesundes Leben schaffen könnte.
Während die Genetik und genetisch kodierte Resilienz nicht modifizierbare Faktoren bei der Langlebigkeit sind, können wir durch unseren Lebensstil dennoch signifikant dazu beitragen, länger und gesünder zu leben. Wir können das Potenzial unserer Gene maximieren, indem wir uns gesund ernähren und ein normales Gewicht beibehalten. Wir sollten Dinge vermeiden, die unserer Genetik entgegenwirken, wie ungesunde Ernährung und Übergewicht. Wenn wir unserem Körper ausreichend Nährstoffe zuführen und einen gesunden Lebensstil pflegen, können wir die Wahrscheinlichkeit eines gesunden und langen Lebens deutlich erhöhen.
Originalpublikation:
Di Francesco A, Deighan AG, Litichevskiy L, Chen Z, Luciano A, Robinson L, Garland G, Donato H, Vincent M, Schott W, Wright KM, Raj A, Prateek GV, Mullis M, Hill WG, Zeidel ML, Peters LL, Harding F, Botstein D, Korstanje R, Thaiss CA, Freund A, Churchill GA. Dietary restriction impacts health and lifespan of genetically diverse mice. Nature. 2024 Oct 9. doi: 10.1038/s41586-024-08026-3. Epub ahead of print. PMID: 39385029.
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